Mutig seinen Weg gehen

Schmiede sind Gestalter. Sie ringen, um hartem Eisen eine neue Form zu geben. Ganz oft entstehen so kunstvolle Produkte und nebenbei auch einzigartige Lebenswege. Tom Carstens arbeitet heute als selbstständiger Metallgestalter, leitet Seminare und Messerschmiedekurse. Der Werdegang des gelernten Metallbauers ist definitiv abseits der Norm, aber voll spannender Wendungen und dem Mut, den eigenen Weg gehen zu wollen.

Steckbrief

  • Tom Carstens
  • Metallbauer und Schmied
  • www.tomcarstens.de

Zeig mir deine Werkstatt und ich sag dir, wer du bist! Da gibt es nüchterne Produktionshallen und liebevolle gestaltete Werkstätten, Orte der Produktion oder der Kreativität und viele Facetten dazwischen. Die Werkstatt von Metallbauer und Schmied Tom Carstens ist so ein Ort der Ideen und des Gestaltens. Ein Ort, der inspiriert und willkommen heißt. Und das liegt nicht zuletzt ganz zentral an der herzlichen und ehrlichen Art des Hausherrn.

Tom ist so eine Art Querkopf von Schmied, dessen Werdegang mit Sicherheit keinem Karriereberater je in den Sinn gekommen wäre und der doch immer davon beseelt war, mit Metall zu arbeiten. Das ging so weit, dass er als Jugendlicher den heimischen Schwedenofen mit dem Heißluftföhn zur Esse umfunktionierte, um die ersten Schmiedeversuche zu starten. Ein Glück, dass seine Eltern sein Talent förderten und ihm einen Brenner schenkten, anstatt sein Treiben aus Angst vor einem Hausbrand zu verbieten. Überhaupt, Eltern und ihre Karrierevorstellungen, da hat Tom ein klare Meinung. „Der Nachwuchs wäre da, aber Jugendlichen wird das Handwerk heute einfach systematisch ausgeredet. Wieviele Jobs gibt es, die einem so viel Freude und so eine sinnliche Erfahrung ermöglichen?“

Metallbauer und Schmied Tom Carstens bei der Weltmeisterschaft in Stia.

Liebe zum Handwerk

Nach seiner Schulzeit startete Tom seine Ausbildung zum Metallbauer, verspürte aber kurz danach schon den Wunsch nach Veränderung. Und so bewarb er sich als Hufschmied beim Gestüt Schwaiganger. „Diese Kombination aus dem Arbeiten mit Lebewesen und mit hartem Stahl, die ist der Wahnsinn.“ Sein Lehrmeister Ferdinand, der ihn in der Ausbildung zum staatlich anerkannten Hufschmied begleitete, schenkte ihm dort etwas Einzigartiges: „Ich habe meine tiefe Liebe zum Handwerk entdeckt. Das hat mich seitdem immer begleitet. Ich wollte nie mehr etwas des Geldes wegen machen, sondern weil es mir Freude bereitet.“

Vizeweltmeister und zum dritten Mal auf dem Podium! Das gelang dem Team Deutschland und Tom Carstens (2. von rechts) bei der internationalen Schmiedeweltmeisterschaft in Stia in der Toskana. Wir gratulieren!

Jahre der Wanderschaft

1997 kam Tom das erste Mal auf die Schmiede-Burg Helfštýn in Tschechien. Ein prägendes Erlebnis. Er fackelte nicht lang, kündigte und ging mit einem alten Bus auf Wanderschaft: nicht für ein paar Wochen, sondern für fünf Jahre. So verbrachte er mehrere Monate auf Helfštýn, auf der Insel San Servolo, in Florida, Paris, Südfrankreich, Tschechien, Italien und Griechenland.

Was sich wie eine bunte Liste an Reisezielen liest, war für Tom aber viel mehr. Es war die Begegnung mit den großen Meistern der Schmiedezunft, bei denen er von Handwerkstechniken bis zur Lebensphilosophie vieles lernen konnte. „Ich habe eindrucksvolle Kollegen kennengelernt. Ich finde, dass das Wissen in die Welt gehört. Und es gibt Sachen, die man mir damals gesagt hat, die ich erst heute verstehe. Ich würde mir wünschen, dass noch viel mehr junge Kollegen den Weg nach draußen wagen.“

Ein Beispiel der kreativen Metallgestaltung von Tom ziert die Musikschule in Wolfratshausen.

Selbstständig als Gestalter

2005 startete er seine Selbstständigkeit in einer kleinen Garage und wechselte 2007 in die jetzige Werkstatt nach Degerndorf. Diese renovierte und restaurierte er in fünf Monaten liebevoll bis ins Detail. „Viele Kunden kommen heute mit Aufträgen zu mir, weil sie gehört haben, dass ich die Dinge anders angehe.“ Metallgestaltung von der Stange gibt es bei ihm nicht, vielmehr sucht er bei jedem Projekt nach einer besonderen Idee und arbeitet aufwendige Skizzen und Modelle aus. Ob Edelstahl, Alu oder Messing – Tom verwendet dabei unterschiedlichste Materialien, doch seine Lieblinge sind Eisen und Bronze. Sie lassen sich in ganz spezieller Weise gestalten.

Ein wichtiger Teil seiner Arbeit sind auch Seminare und Kurse, bei denen er mit großen Firmen ebenso zusammenarbeitet wie mit Schulklassen. „Ich erkläre gerne Sachen, und es ist einfach schön, wie sehr die Leute runterkommen, wenn sie in der Schmiede stehen“, erzählt er. So entsteht dann langsam ein Bewusstsein dafür, dass gute Arbeit Zeit und Hingabe braucht. Doch das Endergebnis weiß zu überzeugen, ist sich Tom sicher: „Arbeitszeit ist Lebenszeit. Und ich liebe es, etwas als Beruf auszuüben, das mir Spaß macht und mein Leben bereichert. Im Metallhandwerk gibt es so unfassbar viele Dinge, die man machen kann. Da ist für jeden was dabei.“